Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovationen
Ungefähr bis zur Jahrtausendwende wurde im Land der Denker*innen und Erfinder*innen nur das als innovativ angesehen, was sicht- oder anfassbar war. Innovationen entstanden in Laboren oder in Werkhallen, an Reißbrettern und zunehmend an Rechnern. So kam es, dass es einige Zeit brauchte, um den Erfolg vieler Softwareunternehmen am Neuen Markt zu Beginn des Jahrtausends nicht nur neuen Technologien zuzuschreiben.
Geburtsstunde des Geschäftsmodells
Es war die Geburtsstunde des Geschäftsmodells (engl. Business Model). Als einer der Ersten verwendete Paul Timmers 1998[1] den Begriff, als er, damals Berater der Europäischen Kommission in Fragen elektronischer Märkte, einen begrifflichen Rahmen für die stark wachsenden eBusiness-Anwendungen suchte.
Timmers verwendete u.a. den Begriff „Produktarchitektur“, der später zu „Wertschöpfungsarchitektur“ wurde. Damit wird klar, dass ein Geschäftsmodell mehr ist als ein bloßes Rezept; es ist das Zusammenspiel verschiedener Komponenten, die den Kunden, den Markt und das Unternehmen verbinden. Joan Magretta erweiterte das Verständnis des Begriffs 2002 und schuf eine der noch heute verbreitetsten Definitionen. Sie sagte sinngemäß, dass ein Geschäftsmodell stets vier Fragen zu beantworten habe: (1) Wer ist die Zielgruppe? (2) Was ist der Mehrwert für die Zielgruppe? (3) Wie wird Geld verdient? Und schließlich: (4) Wie wird ein profitabler Wertschöpfungsprozess organisiert?[2]
Die Kraft neuer Geschäftsmodelle
Welche Kraft neue Geschäftsmodelle haben können, zeigt das Beispiel Airbnb. Das Unternehmen macht heute nichts anderes als es Hotels seit Jahrhunderten tun: Es vermietet Betten an Reisende. Nur macht Airbnb es anders, es vermietet fremde Betten und generiert einen Mehrwert daraus, als Plattform Nachfrager und (Privat)Anbieter zusammenzubringen. So kommt es, dass der weltweit größte Beherbergungsanbieter keine eigenen Betten besitzen muss. Sie erkennen, welche Kraft hinter neuen Geschäftsmodellen stecken kann? Um erfolgreich zu sein, braucht es nicht zwingend ein neues Produkt oder eine neue Technologie, oft reichen neue Geschäftsmodelle aus, um eine ganze Branche zu verändern.
[1] Timmers, P. (1998). Business models for electronic markets. Electronic markets, 8(2), 3-8.
[2] Magretta, J. (2002). Why business models matter. In: Harvard Business Review, Rebuilding your business model, Boston: MA, p. 67-86.
Geschäftsmodellinnovationen und Unternehmenserfolg
Wissenschaftler*innen wiesen einen starken Zusammenhang zwischen Geschäftsmodellinnovationen und dem Unternehmenserfolg nach.[3] Auch identifizierten sie Muster von Geschäftsmodellen wie Freemium oder das berühmte „Razor und Blade-Modell“, das vor allem dadurch Gewinne erwirtschaftet, indem das Grundprodukt, bspw. ein Rasierer, ein Drucker oder ein Kaffeeautomat mit Kapseln, sehr günstig abgegeben wird. Der eigentliche Gewinn aber wird langfristig mit dem teuren Verbrauchsmaterial wie Rasierklingen, Druckerpatronen oder Kaffeekapseln erzielt. Diese können deshalb so teuer sein, weil das eigene Verbrauchsmaterial nur zu den günstig abgegebenen Basistechnologien kompatibel ist.
Impuls für Sie!
Die ISO-Norm 56002 behandelt Geschäftsmodellinnovationen in den Dimensionen Kontext und Führung. Jedoch ist die Norm naturgemäß stärker am WAS als am WIE interessiert. Wir haben daher für Sie unser Wissen aus Praxis und Forschung in einem innotonic-Impuls aufbereitet. Drei unserer wichtigsten Erkenntnisse sind:
- Erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen verändern immer mindestens zwei Bereiche eines Geschäftsmodells. So ist bspw. eine Änderung des Ertragsmodells von Einmalzahlung auf ein Abonnement nur dann erfolgreich, wenn sich gleichzeitig der Inhalt des Abos ändert und/oder das Abo eine andere Zielgruppe anspricht als der Einmalverkauf.
- Das Ergebnis eines gut ausgearbeiteten Geschäftsmodells ist ein oder sind mehrere Alleinstellungsmerkmale. Durch eine intelligente Kombination der einzelnen Bestandteile ist es möglich, sich dauerhaft von Wettbewerbern abzugrenzen, bspw. indem man Eintrittshürden errichtet oder einen dauerhaften Kostenvorteil aufbaut.
- Geschäftsmodellinnovationen führen nur dann zum Erfolg, wenn die zugrundeliegenden Produkte und Dienstleistungen noch nicht am Ende ihres Lebenszyklus stehen. Ebenso gilt, dass die gleichzeitige Einführung neuer Produkte UND neuer Geschäftsmodelle vielfach nicht zu mehr Erfolg führt, weil das Ausmaß der Veränderungen bestehende Organisationen überfordern kann. Es kommt auf die Balance zwischen Neuem und Bestehenden an.
[3] Lehmann, C. (2018). Geschäftsmodellinnovationen in Familienunternehmen, in: Welter, F.; Block, J. (Hrsg.): Mittelstand aktuell, Ausgabe 01/18, Bonn.
Fazit
Das Geschäftsmodell ist eine elementare Perspektive in der Unternehmensführung. Geschäftsmodellinnovationen haben mindestens ein ebenso großes Potenzial wie neue Produkte, Dienstleistungen oder Technologien und gehören in den Werkzeugkasten eines/r jeden Innovationsmanager*in. Eine entsprechend offene und vorbereitete Organisation ist Voraussetzung für den Erfolg einer Innovation des eigenen Geschäftsmodells. Insbesondere die Dimensionen Kontext und Führung der ISO-Norm 56002 spielen dabei eine Rolle.